Langwarden

Longo-worthe und Langweerthe (wurth, werthe, waris = Insel) sind die ältesten Bezeichnungen der Ortschaft und machen deutlich, dass auch diese Ansiedlung manchmal wie eine Insel aus dem überfluteten Land herausragte, als es noch keine Deiche gab. Der Name Langwarden ist seit dem 14. Jahrhundert gebräuchlich. Die Entwicklung des Deichbaus auf der heutigen Halbinsel Butjadingen zwischen Jadebusen und Weser machte die Wurten überflüssig und ermöglichte ganz neue Siedlungsweisen, erforderte aber auch einen Ausbau der Be- und Entwässerungstechnik. An die Stelle weit ins Land reichender Priele traten die befestigten Siele. Der Jadebusen bildete sich als Folge mehrerer Sturmfluten und Meeresdurchbrüche unter Aufschwemmung des rückwärtigen Moorgebietes zwischen 1300 und 1500. Butjadingen wurde zur Insel. Die erneute Urbarmachung des Landes gelang erst durch Eindeichungsmaßnahmen im Rahmen einer neuen Landespolitik, nachdem das Oldenburger Fürstenhaus seine Stellung als Landesherrschaft 1514 besiegelt hatte. Danach wurde Butjadingen wieder zu einem zusammenhängenden Festland.

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Der „Friesenhügel“

Im Volksmund wird der Hügel (siehe Foto vom Hügel) als „Friesenhügel“ bezeichnet. Eigentlich ist es der alte Friedhof des Ortes, der die alte Kirche umgab. Hier fanden sich bei Ausgrabungen steinerne Sarkophage aus dem 11. oder 12. Jahrhundert.
Im Jahr 1922 setzte der Rüstringer Heimatbund am Aufgang zur Friedhofswurt einen Stein zur Erinnerung an die 1514 von den Oldenburgern besiegten Friesen (siehe Foto vom Gedenkstein). „Friesenhügel“ wird der alte Friedhof seit dem Ende des 19. Jahrhunderts genannt, als am Rande des Kirchenhügels Massengräber entdeckt wurden. Bis heute nicht beantwortet sind die Fragen: Handelt es sich um die 1514 getöteten Butjadinger Friesen vom Schlachtfeld bei Langwarden, als sie vergeblich ihre „Friesische Freiheit“ gegen das Ritterheer der Herzöge von Braunschweig, Lüneburg, des Bischofs von Osnabrück und der Grafen von Oldenburg verteidigten? Oder aber sind es die Toten mittelalterlicher Pestepidemien? Sicher spielte bei der Namensgebung 1920 der Wunsch nach einem symbolischen Ort des alten friesischen Freiheitsgedankens eine wichtige Rolle.

Die „olde Kerke“

Zwei Kirchen wurden im Langwarden des 12. Jahrhunderts errichtet:
Auf dem Grabhügel im Westen der Wurt stand die „alte Kirche“ (so wird sie auch in den Quellen bezeichnet). Ausgrabungen brachten Fundamente einer Kirche hervor, die 31 m lang und 10 m breit gewesen ist. Im Umfeld der Ausgrabungsstätte fanden sich auch Gebeine und Sarkophage, was auf einen Friedhof im Gegensatz zu den frühmittelalterlichen Gräberfeldern deutet. Die „olde Kerke“ war Pfarrkirche, bis St. Laurentius diese Funktion im 14./15. Jahrhundert übernahm.
Der Ort hatte sich damals zu einem nördlichen Stützpunkt des fränkisch – friesischen Fernhandels entwickelt. Langwarden war Knotenpunkt des Seehandels. St. Laurentius (siehe Fotos vom Turm und von Kirchenbau) war auch gedacht als Lagerraum für Handelsgüter, da der Ankerplatz der Handelsschiffe direkt östlich hinter der Kirche an einem Priel zum offenen Meer lag. Zweimal im Jahr fand bei dieser Kirche das Sendgericht statt, zu dem ein hoher Geistlicher des Bremer Domkapitels nach Langwarden kam und zu Gericht saß. Es handelt sich also auch um einen herrschaftlichen Rechtsort.

Die St. Laurentiuskirche am östlichen Ende der Wurt hatte auch noch eine weitere Aufgabe zu erfüllen: nämlich das Selbstbewusstsein der Bürger, speziell Handwerker und Kaufleute, als Vertreter einer neuen weltlichen Macht sichtbar zu machen. Der Baustil der Wehr- und Handelskirche, der als Baumaterial verwendete Tuffstein und im Kirchenschiff gefundene Sarkophagdeckel bestärken die repräsentative Bedeutung des Bauwerks (siehe Foto vom Grabstein).
Gegen die angreifenden Bremer und Graf Moritz III. von Oldenburg wurde die Laurentiuskirche 1400 verteidigt, danach musste die Wehrkirche allerdings „geöffnet“ bleiben. Die Kirche erfuhr in den vergangenen Jahrhunderten mehrere Umbauten, zuletzt entstand 1903 der neue Turm, mit seinen 51m Höhe auch als Seezeichen dienend. An das frühere Aussehen erinnern noch die Bogenfriese an der Nordseite des Bauwerks. Sehenswert ist die Innenausstattung aus dem 16. Jahrhundert, dazu zählen der Taufstein, die Malerei an den Emporen, ein Beichtstuhl und vor allem die reich ausgestattete Orgel, die älteste erhaltene der Wesermarsch.

Das Steinhaus

Etwa 20m westlich der alten Kirche wurde um 1400 das sogenannte „Steinhaus“ erbaut (siehe Foto von der Hofansicht). Es wird heute als Pfarrhaus genutzt, beherbergt auch den Gemeinderaum und die Bücherei. Das ursprünglich saalartig angelegte Gebäude könnte als Versammlungsstätte gedient und vielleicht auch rechtliche Funktionen erfüllt haben. Die stilistischen Elemente wie spätgotische Spitzbogenfenster, Betonung der Gebäudeecken durch Sandsteinquader und Backsteinfriese an der Geschossgrenze sprechen dafür. Aber allein die Tatsache, dass es aus Stein erbaut wurde, lässt auf eine hervorgehobene Bedeutung schließen. Luxusordnungen der Zeit sprachen in dieser Gegend sogar Bauverbote für Steinhäuser aus, was Schmuck- und Unterscheidungsbedürfnisse eindämmen sollte. In späterer Zeit wurden Wohn- und Wirtschaftsgebäude angefügt, das Ganze im, um 1900 beliebten, „Heimatstil“ gestaltet. Ein Kalender aus dem 1920er Jahren präsentiert das Steinhaus als „regionales Schmuckstück der Heimatkunst“.

Autor: Reiner Siebolds
Quellen:
Informationstafeln und Führung in Langwarden
Dettmar Coldewey, Frisia Orientalis, Verlag Lohse-Eissing, Wilhelmshaven,
Albrecht Eckhardt, Heinrich Schmidt, Geschichte des Landes Oldenburg, Holzberg V., Oldenburg, 1987
Fotos: Reiner Siebolds