Dänenzeit

Die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst bildeten ab 1667 fast hundert Jahre eine dänische Provinz, weil Graf Anton Günther ohne legitimen Nachfolger verstorben war. Durch zwei Pestwellen 1667 und 1668 sowie den Stadtbrand 1676 deutlich geschwächt, litt Oldenburg sehr unter den finanziellen Belastungen als dänische Exklave. Der direkten Verwandtschaft mit dem russischen Zarenhaus ist es zu verdanken, dass der jüngeren Gottorfer Linie (die weiterhin das protestantische Fürstbistum Lübeck regierte) im Zuge des von der russischen Zarin Katharina II. initiierten Gebietstausches mit Dänemark im Jahr 1773 die Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst angetragen wurde.

Fürstbischof Friedrich August (1711-1785) regierte beide Landesteile fortan in Personalunion.

Autor: Annett Wiegand

Bildnachweis: Oldenburgische Landschaft, Bild 3 Stadtmuseum Oldenburg

Die Oldenburger 'Dänenzeit' - als Grafschaft im europäischen Herrschaftsgeflecht des 17. und 18. Jahrhunderts
Wie die Dänen die Grafschaft übernahmen

Wie die Dänen die Grafschaft übernahmen

Nach dem Tod des Grafen Anton Günthers (Regentschaft: 1603-1667) fiel die Grafschaft Oldenburg an die dänische Krone. Der Graf hatte keinen ehelichen Erben und bedingt durch die familiäre Verbindung des Grafenhauses mit der dänischen Königsfamilie, fiel das Erbe der Grafschaft an eben diese. Denn der älteste Sohn des Grafen Dietrich des Glücklichen von Oldenburg (1394-1440), Christian (1426-1481), war auf Empfehlung seines Onkels Adolf VIII. (1401-1459), Graf von Holstein und Herzog von Schleswig, als Christian I. König von Dänemark geworden. Infolgedessen bestand seitdem eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen Oldenburger Grafen- und dänischem Königshaus.

König Friedrich III. (reg. 1648-1670) 1667 wurde zusammen mit dem wiederum vom dänischen Königshaus abstammenden Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein Gottorf (reg. 1659-1694) zum Nachfolger Graf Anton Günthers, wie es bereits zu Lebzeiten des Oldenburger Grafen im sogenannten Rendsburger Vergleich vereinbart worden war. Nun hatte aber auch Herzog Joachim Ernst von Holstein-Plön (reg. 1622-1671) Ansprüche auf die Grafschaft erhoben, und der Reichshofrat entschied 1673 zugunsten Plöns.  Nutznießer der Entscheidung wurde Joachim Ernsts Sohn und Nachfolger Johann Adolf (reg. 1671-1704). Dieser trat seine Ansprüche gegen Land und Geld an den dänischen König Christian V. (reg. 1670-1699) ab, der zwischenzeitlich seinem Vater auf den Thron gefolgt war. Christian V. gelangte so 1676 ganz in den Besitz der Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst. Durch die Erbstreitigkeiten entstand eine langjährige Feindschaft zwischen dem dänischen Königshaus und dem Haus Holstein-Gottorf.

Aufgrund der geographischen Distanz zu Kopenhagen war es für den dänischen König. nicht möglich, dauerhaft vor Ort ansässig zu sein, sodass er Statthalter als Vertreter einsetzte. Erster Statthalter wurde, wie durch Graf Anton Günther zuvor festgelegt, sein unehelicher Sohn Anton von Aldenburg (1633-1680). Als Statthalter war er mit Unterstützung durch einen Regierungsrat für Regierungs-, Justiz-, Kirchen- und Finanzaspekte der Grafschaft zuständig. Zudem verwaltete er die Kanzlei, das Konsistorium und die Kammer.

Wie die Regentschaft fortgesetzt wurde

In den ersten Jahren wurde die Region unter Anton von Aldenburg im Sinne Graf Anton Günthers weiterregiert. Trotz wirtschaftlicher Schwächen als Folgen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) konnte sich das Land wieder. Aufgrund der Beteiligung Dänemarks am Holländischen Krieg (1672-1678/79) gegen Ludwig XIV. bekam die Grafschaft erstmals die Auswirkungen dänischer Kriegsführung zu spüren. Denn jegliche Handlungen des dänischen Königreiches bezogen auch stets das Oldenburger Land mit ein. Zum Kriegsende hatten die Niederlande, Spanien sowie der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches mit der Koalition Frankreich/Schweden bereits Frieden geschlossen, sodass nur noch das Königreich Dänemark und die Mark Brandenburg als Gegner verblieben. Brandenburg wurde durch ein Vorgehen französischer Truppen unter Marschall Crequi gegen die westlichen brandenburgischen Territorien am Rhein zum Frieden gezwungen und Dänemark unter Druck gesetzt. Unter anderem zogen französsiche Einheiten unter dem Kommando des Marquis de Joyeuse in die Grafschaft Oldenburg und vor die Stadt Oldenburg und forderten Kontribution. Schließlich schloss Dänemark am 10. August mit Frankreich und am 3. September 1679 mit Schweden Frieden. Dabei wurde Herzog Christian Albrecht von Holstein-Gottorf, den Christian V. seiner Souveränität über Schleswig beraubt hatte, wieder in seine Rechte eingesetzt.

Wie die Situation um 1700 sich darstellte

Wegen der Kriegsfolgen, aber auch aufgrund des Pestausbruches im Oldenburger Land 1667 und eines Großbrandes im Stadtkern am 27. Juni 1676 waren Stadt und Region Oldenburg wirtschaftlich stark geschwächt. Den Stadtbrand verursachten drei Blitzeinschläge im Zuge eines großen Unwetters. Er zerstörte mehr als 7000 Wohnungen und Häuser Oldenburgs. Da König Christian V. der Grafschaft wenig Unterstützung zum Wiederaufbau gewährte, konnte sich die Grafschaft mitsamt ihrer Bevölkerung nur langsam von den Katastrophen erholen. Die Steuern der Oldenburger wurden zudem meist für die dänische Kriegsführung genutzt und weniger zum Wiederaufbau bereitgestellt. Auch die seltene Präsenz des Landesherrn im Oldenburger Land war von Beginn an problematisch gewesen, denn die Bevölkerung konnte sich nur schwer mit ihrem Regenten identifizieren. Andererseits verbanden die Bevölkerung Stolz und Freude mit der dänischen Königsfamilie, sobald ein Thronfolger geboren oder ein Kriegsschiff nach der Region benannt war. 

Wie der „Große Nordische Krieg“ die Grafschaft beeinflusste

Erst durch die zweite Verwicklung in ein innereuropäisches Kriegsgeschehen Dänemarks, wodurch Oldenburg in einen prekären Notstand gebracht wurde, wandelte sich diese positive Stimmung. Von 1700-1721 führte das neue Oberhaupt des dänischen Königshauses, Friedrich IV. (1699-1730), Krieg gegen Schweden und Russland im Ostseeraum. Der sogenannte „Große Nordische Krieg“ erforderte enorme finanzielle Unterstützungsleistungen Oldenburgs, die nicht ohne negative Folgen getragen werden konnten. Daher mussten von 1711-1731 die Herrschaft/Grafschaft Delmenhorst sowie die Vogteien Hatten, Wardenburg, Wüstenland und Zwischenahn an den Kurfürsten von Hannover verpfändet werden. Nicht zuletzt führte 1717 die sogenannte „Weihnachtsflut“ zu Existenzängsten in der Grafschaft. Mehr als 4000 Todesopfer forderte die Naturkatastrophe und führte neben Zerstörungen ganzer Dörfer auch zu einem hohen Verlust an Korn und Vieh.

Wie die Grafschaft russisch wurde

1720/21 endete mit dem Frieden von Frederiksborg der Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum und nur fünf Jahre später schuf Zar Peter der Große eine verwandtschaftliche Verbindung zwischen dem russischen Zarenhaus und der älteren Linie des Hauses Holstein-Gottorf. Er gab seine Tochter Anna Petrowna dem Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorf (1700-1739) zur Frau. Aus dieser Ehe ging ein Sohn namens Karl Peter Ulrich (1728-1762), der zukünftige russische Thronfolger, hervor. Dessen Ernennung zum Erben der russischen Krone sorgte ebenso wie die Krönung Adolf Friedrichs (1710-1771) aus der jüngeren Gottorfer Linie 1751 zum schwedischen König für eine Verunsicherung des dänischen Königshauses bezüglich des Hauses Holstein-Gottorf. Im Jahr 1745 vermählte sich Karl Peter Ulrich mit Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst (Katharina II. die Große) und wurde 1762 zum Kaiser Peter III. von Russland. Durch Absetzung und Mord am Zaren wurde jedoch noch im gleichen Jahr seine Ehefrau Katharina zur Zarin. Ihr gemeinsamer Sohn mit Peter III., Paul, war beim Tod seines Vaters noch nicht volljährig, weshalb die Zarin zunächst die Regentschaft übernahm. Katharina die Große legte in einem vorläufigen Vertrag vom 22. April 1767 die Unstimmigkeiten mit Dänemark bei. Dieser wurde dann am 1. Juni 1773 durch ihren Sohn Großfürst Paul (1754-1801) als Oberhaupt des Hauses Holstein-Gottorf bestätigt (Vertrag von Zarskoje Selo). Der Vertrag war eine Vereinbarung über die Besitztümer des Hauses Holstein-Gottorf und des dänischen Königshauses. Dänemark erhielt dabei Schleswig sowie den großfürstlichen Teil von Holstein zugesprochen, wohingegen die Stammgrafschaft Oldenburg-Delmenhorst an den Großfürsten Paul I. überging. Das Fürstbistum Lübeck blieb im Zugriff der jüngeren Linie des Hauses Holstein-Gottorf, die dort den Fürstbischof stellte. 1773 endete somit eine lange Ära der Unruhe im Norden, die durch den Konflikt zwischen dem dänischen Königshaus und den Herzögen von „(Schleswig-) Holstein-Gottorf bedingt war, und die „Ruhe des Nordens“ kehrte zurück. Es war von vornherein nicht vorgesehen, dass Großfürst Paul I. war aus ferner Distanz die Regierung Oldenburgs übernehmen würde. Die Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst wurde entsprechend an den Fürstbischof von Lübeck, Herzog Friedrich August aus der jüngeren Gottorfer Linie übertragen, um diese jüngere Linie zu versorgen. 1774 wurde die Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst durch kaiserliches Patent zum Herzogtum erhoben.

Autor: MaHi, bearb. von Jörgen Welp

Bilder (Graf Anton Günther; Plan Stadtbrand; Herzog Friedrich August): Bildarchiv Stadtmuseum Oldenburg

Literatur

  • Lübbing, Hermann: Oldenburgische Landesgeschichte, Oldenburg 1953
  • Nistal, Matthias: Die wechselhaften Beziehungen zwischen Oldenburg und Dänemark, in: Oldenburgischer Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde e.V. (Hg.): Oldenburger Jahrbuch, Bd. 107/2007, Oldenburg 2007, S. 27-56
  • Rüthning, Gustav: Oldenburgische Geschichte, Bremen 1911.
  • Rüthning, Gustav: Oldenburgische Geschichte, Oldenburg/Berlin 1937.
  • Schaer, Friedrich-Wilhelm: Die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst vom späten 16. Jahrhundert bis zum Ende der Dänenzeit, in: Albrecht Eckhardt/Heinrich Schmidt (Hg.): Geschichte des Landes Oldenburg. Ein Handbuch, Oldenburg 1987, S. 97-172
  • Vonderach, Andreas: Kleine Geschichte des Oldenburger Landes, Oldenburg 2015